Gesundheitswelt intelligent vernetzt

Die Corona-Pandemie beschleunigt den digitalen Wandel – auch und besonders im Gesundheitssystem. Themen wie Telemedizin, KI-gestützte Diagnosen und Telematikinfrastruktur (TI) gewinnen dabei noch mehr an Bedeutung. Wie wird E-Health unser Leben konkret verändern?

Von Prof. Dr. Klaus Juffernbruch, FOM Hochschule für Oekonomie & Management

Schon vor Corona war die Notwendigkeit einer stärkeren Digitalisierung des Gesundheitssektors unter Experten und Akteuren unumstritten. Wir werden immer älter. Zugleich führen das zunehmende Durchschnittsalter sowie geänderte Arbeitszeitregelungen und verstärkte Teilzeittätigkeit von Ärztinnen und Ärzten dazu, dass weniger Stunden für die medizinische Versorgung zur Verfügung stehen. Im Ergebnis steigt die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen schneller als das Angebot. Dies trifft nicht nur auf den ärztlichen Bereich, sondern auch auf die Pflege und andere Heilberufe zu.

Die essenzielle Frage lautet also: Wie kann das hohe qualitative Niveau unserer Gesundheitsversorgung in Deutschland trotzdem erhalten oder sogar ausgebaut werden? Einen wichtigen Beitrag dazu kann die moderne Informations- und Kommunikationstechnologie.
 

Videosprechstunde

Mit der Liberalisierung der Fernbehandlung hat der Deutsche Ärztetag 2018 den Weg freigemacht, Patienten unabhängig von Zeit und Ort mittels Videosprechstunde und Telemedizin zu diagnostizieren und zu behandeln. Dies bietet für Ärztinnen und Ärzte neue familienfreundliche Arbeitsmöglichkeiten, erspart den Patientinnen und Patienten lästige Fahrten und Wartezeiten und gewährleistet einen schnellen Zugang auch zu Spezialisten, die ortsnah nicht verfügbar sind. Diese Möglichkeiten stehen in vielen europäischen Ländern, etwa in Großbritannien oder der Schweiz, schon seit Jahren zur Verfügung.
 

Wearables und KI

Getrieben vom Interesse vieler Menschen an Fitness, Gesundheit und Vorbeugung entwickelt die Industrie immer neue, miniaturisierte Sensoren für Körperfunktionen. Diese lassen sich in Smartwatches und Kleidung integrieren und erlauben so ein kontinuierliches Monitoring von Gesundheitsparametern. Gepaart mit Künstlicher Intelligenz (KI) werden Messdaten interpretiert und ermöglichen beispielsweise die Diagnose von Vorhofflimmern aus Pulsdaten. Sogenannte Symptomchecker-Apps nutzen KI, um aus einer Anamnese, die jeder am Handy selbst durchführen kann, auf das Vorliegen möglicher Krankheiten zu schließen.

Im Bereich der bildgebenden Medizin können pathologische Merkmale unter Zuhilfenahme von KI mit größerer Sicherheit und deutlich schneller erkannt werden. Dies erhöht die Qualität der medizinischen Diagnostik und spart Zeit. Die eingesparte Zeit können Ärztinnen und Ärzte nutzen, um dem einzelnen Patienten mehr persönliche Zuwendung zu geben oder die Wartezeit auf Untersuchungen zu verkürzen.

Da der Einsatz dieser Technologie im Bereich der Medizin noch relativ neu ist, liegt derzeit ein großes Augenmerk auf der Entwicklung von Qualitätskriterien, die den Einsatz von KI vertrauenswürdig und sicher machen. Maßnahmen zu Datenschutz und Datensicherheit müssen dabei immer auf dem neuesten Stand der Technik gehalten werden.
 

TI und elektronische Patientenakte

Je genauer ein Leistungserbringer über den aktuellen Zustand der Patientin oder des Patienten und die medizinische Vorgeschichte informiert ist, desto besser kann er diagnostizieren und behandeln. Auch für das Verschreiben von Medikamenten ist es wichtig, möglichst lückenlos über die bestehenden Medikationen Bescheid zu wissen, um unerwünschte Wechselwirkungen zu vermeiden. In der Folge des Lipobay-Skandals von 2001, bei dem es aufgrund von Medikamentenwechselwirkungen zu mehr als hundert Todesfällen kam, beschloss die Bundesregierung die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte mit zugehöriger Telematikinfrastruktur (TI), die auch eine elektronische Patientenakte beinhalten wird. Im Jahr 2018 verpflichtete das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) die gesetzlichen Krankenkassen, ihren Versicherten spätestens ab dem 1. Januar 2021 eine Patientenakte zur Verfügung zu stellen, die von der gematik GmbH als ausführender Gesellschaft zugelassen ist (s. Seite 03). Die Nutzung einer solchen elektronischen Akte ist für den Patienten freiwillig. Er entscheidet, ob er überhaupt eine Akte anlegen will, welche Daten er dorthin übernehmen will und wem er sie zugänglich macht.
 

3-D-Druck und Roboter

Für die Technik des 3-D-Drucks haben sich bereits heute zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten im Gesundheitswesen ergeben. Basierend auf Daten aus Computertomogrammen oder Magnetresonanztomografien können Chirurgen dreidimensionale Ausdrucke zur OP-Vorbereitung nutzen. Ebenso werden passgenaue, patientenindividuelle Implantate und Prothesen aus anorganischen Materialien gefertigt. Eine große Hoffnung liegt auf dem 3-D-Druck mit organischen Materialien und lebenden Zellen. Es gibt bereits Ansätze, mit diesen Verfahren Knochen, Knorpel und künftig auch ganze Organe zu drucken.

Insbesondere im Bereich der Pflege und des selbstbestimmten Lebens zu Hause werden Roboter eine zunehmend größere Rolle spielen. Was mit Saug-, Wisch- und Mährobotern seinen Anfang nahm, wird ergänzt werden durch Maschinen, die körperlich schwere Arbeit am Patienten unterstützen, Heimbewohner unterhalten und vielfältige Aufgaben in der Wohnung übernehmen können. Laut einer Umfrage der Techniker Krankenkasse von 2018 würden sich heute schon 58 Prozent der Versicherten von einem Pflegeroboter unterstützen lassen. ///

Prof. Dr. med. Dipl.-Inform. Klaus Juffernbruch studierte Informatik und Medizin an der RWTH Aachen. Nach ärztlicher Tätigkeit am Klinikum der RWTH arbeitete er bei IBM in verschiedenen Consulting-, Vertriebs- und Managementfunktionen sowie bei Cisco als Direktor für strategische Beratung im Gesundheitswesen, bevor er zur FOM Hochschule wechselte. Arbeitsschwerpunkte sind zukunftsweisende Versorgungsformen, E-Health und Künstliche Intelligenz. Seit 2012 leitet er die Expertengruppe „Intelligente Gesundheitsnetze“ des Digital-Gipfels der Bundesregierung.

Quelle: AM PULS – Das ACTINEO Magazin (Ausgabe 09 | November 2020)

Foto: Elnur/stock.adobe.com

 

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